Scheinheilige “besorgte Bürger?

Unter dem Titel “Die Gier nach Angst” hat am 24. 3. 16 die Huffington Post folgenden Artikel publiziert:

“Die Deutschen sind ängstlich und risikoscheu. Sie erfinden zwar viel, überlassen es dann aber anderen Nationen, diese Erfindungen gewinnbringend zu vermarkten. Neue Produkte werden deshalb zunächst nicht gerne ausprobiert und angenommen. Das ist schlecht, denn die Welt um uns herum wird nicht nur komplexer und anders, sondern immer risikoreicher. Größere Wirtschaftskrisen, Terror und Kriege, globale Erwärmung und Umweltprobleme sind nur einige der bekannten Themen. Industrie 4.0, der Aufstieg der Roboter am Arbeitsplatz wie die Angst vor einer dauerhaften wirtschaftlichen Stagnation geistern durch die Debatten. Ein Umgang mit Veränderungen und Neuem muss gekonnt werden, wenn sich Deutschland in der gobalen Welt behaupten will.”

Der Terror hat weltweit zugenommen und Europa voll erreicht. Er richtet sich nicht mehr auf die großen Ziele, er erfaßt individualisiert jeden auf Straßen, in Konzerten und in Restaurants. Der Willkür nimmt Formen an, die bisher undenkbar gewesen waren. Er geht vielfach von Menschen aus, die “unter uns” aufgewachsen sind.

Dazu kommt: Das Unbekannte scheint Europa in Form von Flüchtlingen zu überschwemmen. Sie zieht es weitgehend nach Deutschland. Die Thematik befeuert die übliche Vorurteile und Ängste über wirtschaftliche und gesellschaftliche Überforderung. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Fakten überwiegend andere Botschaften liefern. Sowohl kann Deutschland den Andrang schaffen, noch ist er außergewöhnlich groß, noch wird er Einheimischen die Lebensschancen nehmen. Kanzlerin Merkel hat ganz Recht: Wir schaffen das, wenn wir es nur wollen.

Dennoch verbreiten sich Ängste, auch weil sie von interessierten Kräften bedient werden und nicht genügen Transparenz und Aufklärung geschafft wird. Mit Angst lässt sich wunderbar Geld machen.

Denn einige haben die wirtschaftlichen und politischen Chancen erkannt, die in der Furcht vor Risiken und dumpfer Unsicherheit oder Unwissenheit liegt. Erscheinen Risiken unkalkulierbar, gibt es nicht genügend Informationen oder passen sie nicht zu den Vorurteilen, dann entsteht Angst. Wer sie schürt und befriedigt, kann mit erheblichen politischen und wirtschaftlichen Vorteilen rechnen.

Es gibt diese Tendenzen in vielen Lebensbereichen, nicht nur bei der Flüchtlingsfrage. Beispielsweise bei Ernährungs- und Umweltthemen. Die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten und die Radikalisierungsfähigkeit der Wähler nimmt zu. Wer sind die Profiteure? Teile der politischen Parteien, die Sicherheits- und Gesundheitsbranchen, die Vertreter alternativer Energieträger und diverse alte wie neue Medien.

Ein solcher politischer Profiteur ist die sogenannte Alternative für Deutschland (AfD). Sie ist aber keine Alternative. Ursprünglich als “Wirtschaftspartei” gegen den Euro erdacht, kanalisiert sie jetzt die dumpfen Ängste vor Migranten generell und Flüchtlingen im Speziellen. Dazu hat sie aber weder Kompetenz noch ein Programm, sie ist ein erfolgreiches politisches Produkt ohne Inhalt. Das Compact-Magazin, das als Medienakteur eng mit der AfD kooperiert, spielt auch als Profiteur und Anheizer der Ängste eine tragende Rolle.

Wie lange die Rolle der AfD als Protestpartei anhalten kann, wird sich zeigen. Jedenfalls erfindet sich die Parteienlandschaft gerade neu und erzwingt möglicherweise langfristig dann “kleine” Regierungskoalitionen aus CDU und SPD mit einer diffusen Opposition.

Sicher bleibt der große Dissenz zwischen Fakten und Einschätzungen. Viele erfinden sich ihre Fakten einfach selber. Es gäbe einen hohen Kommunikationsbedarf, ja wenn es nur die Aufnahmebereitschaft dafür gäbe. Aber die Aufgabe der traditionellen Medien zur Qualitätskontrolle und ausgewogenen Vermittung ist nachhaltig geschwächt. Dort glaubt man vielfach, sich nur mit Skandalisierungen wirtschaftlich über Wasser halten zu können. Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten! In den sozialen Medien bleibt kein möglicher Verdacht geheim. Die Qualitätskontrolle in den sozialen Medien und in der Blogger-Szene ist noch wenig ausgeprägt. Meinung und Fakten vermischen sich zu Dichtung. Erst Wettbewerb und rechtliche Regulierungen können dies eindämmen.

“Wir sind nur besorgte Bürger”: Sogar um die Deutungshoheit dieser These ist jetzt heftiger Kampf entbrannt. Müssen wir die Menschen nur richtig mitnehmen oder soll die Fundamentalopposition schlicht verschleiert werden? Es sieht nicht so aus, dass durch Argumente allein die Spaltung der Gesellschaft aufgehalten werden kann. Es macht vielmehr Sinn, die Träger der Ängste, also beispielsweise die Flüchtlinge, mit besorgten Bürgern in Kontakt zu bringen. Nur so läßt sich die Gier nach Angst brechen.”

Klaus F. Zimmermann, Harvard University, Universität Bonn und Blogger, schreibt regelmäßig bei der Huffington Post.

 

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Klaus F. Zimmermann spoke at Harvard University

Klaus F. Zimmermann, on leave from Bonn University, has arrived at the Center for European Studies, Harvard University, where he will stay to execute his research until August 2016. On March 22, 2016, he presented his views in a well-attended seminar of the center on “The European Refugee Crisis: Policy Challenges and Perspectives”. For further details and background material see a previous post.

Klaus F. Zimmermann, newly arrived, in front of the Center for European Studies at Harvard:

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New Jobs of Klaus F. Zimmermann

News 11.2016: New Jobs of Klaus F. Zimmermann

  • Member of the Program Committee of COMPIE 2016.  The European Commission is organizing, in collaboration with the “S. Cuore” Catholic University in Milan (IT), the second conference on Counterfactual Impact Evaluation methods and applications, named COunterfactual Methods for Policy Impact Evaluation 2016 (COMPIE 2016). The conference will take place on October 20 and 21, 2016 in Milan. Call for papers.
  •  Research Fellow at the Mannheim Center for Evaluation and Development.
  • Member of the Editorial Board of Ecos de Economia. A Latin American Journal of Applied Economics.      
  • Member of the 2017 Erasmus Medal Award Committee of the Academia Europaea
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Zimmermann in Harvard on the European Refugee Crisis

On March 22, 2016, 2:15 pm, Klaus F. Zimmermann speaks at the Center for European Studies at Harvard on:
                                                                                                                                                                                                                      The European Refugee Crisis: Policy Challenges and Perspectives
                                                                                                                                                                                                               The European refugee crisis is challenging policy makers because it affects a wide range of European policy simultaneously. Klaus Zimmermann, Founding Director of the Institute for the Study of Labor and a leading economist of migration, will review major research findings of migration economics and their implications for the economy and society at large in Europe. He argues that the continent needs more temporary and permanent migration for economic and demographic reasons. Such immigration would be beneficial, as it has been in the past. The current refugee stream is neither economically problematic nor is it the solution for the European labor market challenges. The refugee crisis is a crisis of policy-making and the European institutions. In spite of recent decisions of European state governments to close their borders for refugees, it is impossible to “defend” the South border of Europe without creating illegal inflows. For humanitarian migrants there cannot be an upper limit. A better long-term policy is needed to reduce the causes of refugee flows and illegal economic migration in the South of Europe. A proper strategy needs to include quotas for EU member states, a legal inflow of asylum seekers and refugees into Europe and legal channels for work (circular migration and immigration). The rise of right-wing parties and of EU-skepticism provides a challenge to the European political system, however, which may destroy it. Not less, but rather more Europe is needed.
                                                                                                                                                                                                                 See also his recent presentations. His op-ed on the issue in the Wall Street Journal.
                                                                                                                                                                                                     Background analysis can be found in:
                                                                                                                                                                                                           Flüchtlinge in Deutschland: Herausforderungen und Chancen
Wirtschaftsdienst, 95 (2015), pp. 744 – 751
                                                                                                                                                                                                       Zutritt zur Festung Europa? Anforderungen an eine moderne Asyl- und Flüchtlingspolitik
Wirtschaftsdienst, 95 (2015), pp. 114-120                                                                                                          
Punkte machen?! Warum Deutschland ein aktives Auswahlsystem für ausländische Fachkräfte braucht
(revised version forthcoming as ‘Punkte machen?! Warum Deutschland ein aktives Auswahlsystem für ausländische Fachkräfte braucht und wie ein solches System aussehen kann’ in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik)
                                                                                                                                                                                                          ‘Migration, jobs and integration in Europe’ in: Migration Policy Practice, 2014, 6(4), 4-16                                                                                                                                                                                                    Ends
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Klaus F. Zimmermann spoke on European Migration Challenges

News 10. 2016: Klaus F. Zimmermann on “European Migration Challenges”

On three occasions, Zimmermann spoke about research findings of migration economics and their implications for the economy and society at large. He thinks that Europe needs more temporary and permanent migration for economic and demographic reasons. Such immigration would be beneficial, as it has been in the past. The current refugee stream is neither economically problematic nor the solution for the European labor market challenges. The refugee crisis is a crisis of policymaking and the European institutions. Zimmermann criticized the decisions of European governments to close the borders for refugees and suggested that it is impossible to “defend” the South border of Europe. For humanitarian migrants there cannot be an upper limit. A better long-term policy is needed to reduce the causes of refugee flows and illegal economic migration in the South of Europe. A proper strategy needs to include quotas for EU member states, a legal inflow of asylum seekers and refugees into Europe and legal channels for work (circular migration and immigration).

Vienna (February 25, 2016). Keynote Address to the Board of the Austrian Industriellenvereinigung (Federation of Austrian Industries) on “Aktuelle Herausforderungen der europäischen Integration” (Recent Challenges of European Integration).

Halle (March 3, 2016). Panel debate about “Brauchen wir Verstärkung? Zuwanderung und demographischer Wandel in Deutschland” (Do we need migrants?) organized by Leopoldina (the German Academy of Science) and the Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) in the Leopoldina headquarter. The panel consisted of Josef Ehmer (University of Vienna), Reint E. Gropp (IWH), Barbara John (Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband), Christine Langenfeld (Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration), Norbert F. Schneider (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung) and Klaus F. Zimmermann. It was directed by Dorothea Siems (“Die Welt”, major German newspaper). Zimmermann is a member of the Leopoldina.

Antwerp (March 11, 2016). Panel debate around “The Economics of Migration” at the bi-annual VvE-Day of Economic Research organized by the Flemish Society of Economics (VvE) in collaboration with the National Bank of Belgium and all the five Flemish Universities (University of Leuven, Ghent University, Vrije Universiteit Brussel, Hasselt University, University of Antwerp) at the University of Antwerp. The other panel members were Alan Manning (London School of Economics), Andreas Tirez (prominent Flemish blogger), and Joren Vermeersch (communication advisor with the Flemish Cabinet of the State Secretary of Asylum Policy and Migration) under the moderation of Walter Nonneman (University of Antwerp).

In the context of the panel presentation, Zimmermann gave interviews with the following Flemish media: De Standaard, De Tijd and Trends. Trends has already publishes a larger article on the Website . See also the printed article in Trends and the article in De Tijd.

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Bonner Ökonom wechselt an die US-Eliteuniversität Harvard

Der Bonner General-Anzeiger berichtete am 4. 3. 2016, S. 2:

“Der Bonner Ökonom Klaus F. Zimmermann wechselt an die US-Eliteuniversität Harvard. Er werde noch im Verlauf dieses Monats nach Harvard wechseln und ab September dieses Jahres dann an der Universität Princeton forschen, teilte Zimmermann gestern mit. Der Gründungsdirektor des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) und bis dahin dessen Leiter hatte die Bonner Polit-Denkfabrik Ende Februar verlassen. Er hatte sich mit Klaus Zumwinkel, dem Präsidenten des IZA und der Post-Stiftung, über den künftigen Kurs des Instituts zerstritten.”

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Spannung und Wettbewerb in der Fußballbundesliga

Der FC Bayern München ist ein Fußballverein mit einem der besten Teams der Welt. In der laufenden Bundesligasaison siegen sie sich wieder von Spiel zu Spiel, erreichten mit 46 Punkten souverän die Herbstmeisterschaft, sieben Punkte Vorsprung auf den Hauptrivalen der letzten Jahre, Borussia Dortmund, und nur einer Niederlage in 17 Punktspielen. In der ewigen Bundesligatabelle deklassieren sie mit knapp 30 Prozent Vorsprung der gesammelten Punkte die Restvereine. In den zwanzig Spielzeiten ab der Saison 1995/96 wurde der Verein zwölf Mal Deutscher Meister.

Allenfalls die Rolle des Verfolgers verspricht Spannung, wenn überhaupt. Der Hauptrivale der letzten beiden Jahrzehnte mit vier Meister-Titeln, Borussia Dortmund, strauchelte zwar in der vergangenen Spielsaison, ist aber jetzt wieder machtvoll zurück. Nach dem Ausrutscher des FC Bayern München zuhause gegen Mainz 05 hatte er in der ersten Märzwoche die Chance, auf zwei Punkte an den bayerischen Spitzenreiter heranzurücken. Die Partie endete allerdings 0:0 Unentschieden, sodass die Titelspannung nach drei Tagen wieder vorbei war.

Die Dominanz weniger Vereine in der Fußball-Liga ist kein deutsches Phänomen. So haben in Spanien in der Regel der FC Barcelona und Real Madrid und sogar in der breit aufgestellten englischen Premier League oft Manchester United, Arsenal und Chelsea die Nase vorn. Kein Verein hat aber national eine solche Sonderstellung wie der FC Bayern München.

Ist das ein Luxusproblem? Schließlich spielt der Verein glänzenden, immer besseren Fußball. Sein Team ist regional verwurzelt (mia san mia) und dennoch multi-ethnisch aufgestellt. Seine Leistungsträger sind Erfolgsgaranten im internationalen Wettbewerb (Champions League) und bilden das Rückgrat der Deutschen Nationalelf, die so Weltmeister werden konnten. Ein Vorzeigeverein eben, für Sport, Gesellschaft und Wirtschaft.

Aber die Gefahr heißt erstens drohende Langeweile und zweitens schwindende Wettbewerbsfähigkeit. Über die strukturellen Hintergründe und mögliche Lösungsansätze hatte ich kürzlich in diversen Medien geschrieben, u.a. in den Dresdner Neueste Nachrichten und in der Leipziger Volkszeitung.

Die Attraktivität des Fußballs kann leiden, wenn der Sieger immer schon vorher feststeht. In der Sportökonomie kennt man das als Louis-Schmeling-Paradoxon. Erst der überraschende Sieg des deutschen Boxers Max Schmeling gegen Joe Louis im Jahre 1936 machte Boxen wieder spannend und wirtschaftlich erfolgreich. Zuvor hatte Louis seine Gegner reihenweise frühzeitig mit K.O. besiegt.

Die strukturellen Fragen bleiben. Hier ist deshalb der komplette Artikel aus den Dresdner Neueste Nachrichten vom 19. 2. 2016 :

Gastbeitrag von Klaus Zimmermann Die Liga der Langeweile

Wirkliche Überraschungen sind rar in der Fußball-Bundesliga. Denn am Ende entscheidet die Vereinskasse über Tabellenplatz und Meistertitel. Solange keine fairen Wettbewerbsbedingungen herrschen, bleibt der FC Bayern auf Sieg abonniert – was zum Schaden des gesamten deutschen Fußballs ist.
Auf die Meisterschaft abonniert: Der FC Bayern München spielt zwar schönen Fußball, seine Dominanz schadet aber der Attraktivität der Bundesliga.

Noch stehen 13 Spieltage in der Fußball-Bundesliga an. Doch die spannendste Frage, nämlich die, wer deutscher Meister wird, scheint bereits Ende Februar entschieden. Die Antwort lautet: der FC Bayern München. Mal wieder.

Wirklich überraschend kommt das nicht. Der FC Bayern hat eine der teuersten Mannschaften der Welt. Und Geld schießt auf lange Sicht eben doch Tore. In der laufenden Saison hat der Klub 56 von 63 möglichen Punkten geholt und nur ein einziges Ligaspiel verloren. Der Vorsprung auf den Tabellenzweiten Borussia Dortmund beträgt schon acht Punkte. Langeweile ist programmiert. Spannung verspricht allenfalls noch der Kampf um den ersten Platz hinter den Bayern.

Die Dominanz weniger Vereine in der nationalen Liga ist gewiss kein deutsches Phänomen. In Spanien etwa geht der Titel in der Regel an den FC Barcelona oder an Real Madrid. Doch kein europäischer Verein hat in seinem Land eine derartige Sonderstellung wie der FC Bayern. Nur zur Erinnerung: In den vergangenen 20 Jahren wurde der Klub zwölfmal deutscher Meister!

Der Sieger steht schon fest

Ist das ein Luxusproblem? Schließlich spielt der Verein attraktiven Fußball und wird dabei noch immer besser. Die Mannschaft ist regional verwurzelt (“Mia san mia”) und dennoch multiethnisch aufgestellt. Die Leistungsträger bilden zudem das Rückgrat der deutschen Nationalmannschaft, die so im Sommer 2014 Weltmeister werden konnte. Der FC Bayern ist ein Vorzeigeverein für Sport, Gesellschaft und Wirtschaft.

Also alles gut? Mitnichten! Denn mit der drohenden Langeweile ist auch eine schwindende Wettbewerbsfähigkeit der Bundesligisten – inklusive Bayern München – verbunden.
Die Attraktivität des deutschen Fußballs leidet, wenn der Sieger immer schon vorher feststeht.

In der Sport­ökonomie wird dies als Louis-Schmeling-Paradoxon bezeichnet. Erst der überraschende Sieg des deutschen Boxers Max Schmeling gegen Weltmeister Joe Louis im Jahr 1936 machte Boxen wieder spannend und wirtschaftlich erfolgreich. Zuvor hatte Louis seine Gegner reihenweise frühzeitig durch K. o. besiegt – was irgendwann keiner mehr sehen wollte.

Vorbild Premier League

Natürlich bleiben wahre Fußballfans auch ihren erfolglosen Vereinen treu. Und Bayern-Anhänger erfreut jeder überlegene Sieg. Aber auf Dauer kann sich die Gesamtattraktivität der Liga nicht entwickeln, wenn die Bayern weiter dominieren. Nicht ohne Grund verfügt die Premier League derzeit über die größten wirtschaftlichen Mittel, die besten Spieler und die charismatischsten Trainer: Hier arbeiten viele Klubs, auch dank Investoren, wirtschaftlich auf Augenhöhe, das Rennen um die Meisterschaft ist völlig offen.

Verbunden mit einer ausgeprägten Fankultur ist so das aktuell beste Fußballprodukt der Welt entstanden. Dass Trainer Pep Guardiola den FC Bayern zum Saisonende verlässt und in die englische Liga strebt, um seine erfolgreiche Karriere dort fortzusetzen, ist nur logisch. In England trifft er auf die spannendste Herausforderung des Vereinsfußballs.

Womit wir beim Kern des deutschen Problems sind: Die Dominanz des FC Bayern schadet langfristig der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Vereine. Der Branchenführer aus München ist auf dem Weg, so stark und überlegen zu werden, dass er alle anderen Konkurrenten sportlich und wirtschaftlich an den Rand drängt. Wenn aber die besten Spieler und das meiste Geld bei einem Verein landen – was bleibt dann für den Rest?
Gleichmacherei ist keine Lösung

Konkurrenz belebt das Geschäft, das ist ein bekanntes marktwirtschaftliches Prinzip. Dafür haben wir in der allgemeinen Wirtschaft die Kartellbehörde, die Regeln für eine Konkurrenz zu fairen und ausgewogenen Bedingungen aufstellt. Im Fußball gibt es eine solche Kartellbehörde nicht. Was könnte man also tun, um die langfristige Attraktivität der Bundesliga zu stärken?

Die Lösung liegt nicht in einem aussichtslosen Kampf gegen die Kommerzialisierung des Sports oder in einer falsch verstandenen Gleichmacherei. Schließlich ist der FC Bayern ein exzellent geführter Verein, der im weltweiten Konkurrenzkampf steht. Wir können uns hier nicht der Globalisierung entziehen.

Das Hauptproblem in Deutschland ist auch nicht die Verteilung der TV-Einnahmen. Sie ist breit angelegt und weit fairer als etwa in Spanien oder Italien, wo ein Großteil der TV-Erlöse an wenige Topklubs geht. Das Problem ist das Preisniveau, das weit hinter dem der Premier League zurückbleibt. Bereits in der vergangenen Saison kassierte ein Absteiger in England (Cardiff City, 76 Millionen Euro) erheblich mehr Geld aus der nationalen TV-Vermarktung als der deutsche Meister (Bayern München, 37 Millionen Euro).

Fairness per Gehaltsdeckelung

Durch den neuen Fernsehvertrag erzielt die Premier League vom kommenden Sommer an etwa 3 Milliarden Euro pro Jahr, die Bundesliga kommt nur auf etwa 850 Millionen Euro pro Jahr. Das oberste Ziel der Bundesliga muss also lauten, die Attraktivität zu steigern. Aber wie?

Im weltweiten Sportbusiness gibt es Modelle, über die es sich durchaus nachzudenken lohnt, beispielsweise aus den USA. Das wichtigste Instrument für mehr Fairness in den nordamerikanischen Basketball-, Eishockey- und American-Football-Ligen ist die Gehaltsdeckelung (“Salary Cap”). Dabei dürfen die Teams eine zuvor festgelegte Gesamtsumme für die Gehälter ihrer Mannschaft nicht überschreiten.

Einzelne Topstars können also durchaus deutlich mehr verdienen, wenn ein Ausgleich bei anderen Spielern erfolgt. Da dieser Deckel meist so hoch angesetzt ist, dass ihn die ärmeren Klubs gar nicht erreichen können, beschränkt er die reichen Klubs nicht allzu sehr, wirkt sich aber positiv auf den Wettbewerb aus. Seriensieger gibt es im US-Sport praktisch nicht.

Vorteil durch Nachwuchstalente

Allerdings wäre eine nationale Gehaltsobergrenze in der Bundesliga kontraproduktiv. Anders als in den USA, wo die Klubs in geschlossenen Ligen spielen, stehen die deutschen Fußballvereine in einem massiven europäischen Wettbewerb. Zahlreiche Spieler würden abwandern, weil sie in anderen Ländern mehr Geld verdienen könnten. Eine Gehaltsobergrenze müsste also europaweit eingeführt werden, von der Europäischen Fußball-Union (Uefa).

Ein weiteres Element für mehr Spannung wäre ein fairer Zugriff auf den besten Nachwuchs. In den US-amerikanischen Sportligen rekrutieren Klubs neue Spieler durch einen ausgeklügelten Auswahlprozess (“Draft”). Dabei dürfen die leistungsschwächsten Mannschaften der abgelaufenen Saison als Erste den Talentpool der besten Nachwuchsspieler ausschöpfen.

Ein solches System könnte auch in der Bundesliga stimulierend auf den Wettbewerb wirken – und aktuelle Abstiegskandidaten wie Werder Bremen, Hannover 96 und den VfB Stuttgart mittel- oder langfristig wieder zu Topteams werden lassen.

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Discussion Forum “Evidence-based policy making”: Main Actors

On the occasion of the leave of IZA Founding Director Zimmermann and in the presence of more than 230 participants from science, policy, business and media, a prominent round of experts discussed the challenges and perils of policy making on the basis of scientific policy advice. The event took place in the Universitätsclub Bonn (University Club of Bonn University) on February 22, 2016. For further content see a recent post. Here are a few pictures from the event (Photographer: Sebastian Laubert, Bonn).

Location: Universitätsclub Bonn, Wolfgang Paul Saal

Location: Universitätsclub Bonn, Wolfgang Paul Saal

Main persons at the event :

Ferdinand DudenhöfferFerdinand Dudenhöffer (Direktor, CAR-Center Automotive Research, University of Duisburg-Essen), Moderator of the event.

Ferdinand Dudenhöffer (Direktor, CAR-Center Automotive Research, University of Duisburg-Essen), Moderator of the event.

Roland Tichy Roland Tichy (Prominent independent journalist and Head of the Ludwig-Erhard-Foundation; former Editor-in-Chief of Wirtschaftswoche)

Roland Tichy (Prominent independent journalist and Head of the Ludwig-Erhard-Foundation; former Editor-in-Chief of Wirtschaftswoche)

Friederike Welter Friederike Welter (President of the Bonn-based Institut für Mittelstandsforschung; prominent policy advisor)

Friederike Welter (President of the Bonn-based Institut für Mittelstandsforschung; prominent policy advisor)

Wolfgang Clement Wolfgang Clement (former Prime Minister of North Rhine-Westphalia and Minister for Economics and Labor in the reform cabinet of Chancellor Schröder)

Wolfgang Clement (former Prime Minister of North Rhine-Westphalia and Minister for Economics and Labor in the reform cabinet of Chancellor Schröder)

Bernhard MattesBernhard Mattes (Chairman, Ford of Germany and Vice President, Ford of Europe)

Bernhard Mattes (Chairman, Ford of Germany and Vice President, Ford of Europe)

Gernot B. Lehr Gernot B. Lehr (Partner, Redeker Sellner Dahs, prominent media lawyer, in 2016 Lawyer of the Year for North Rhine‐Westphalia)

Gernot B. Lehr (Partner, Redeker Sellner Dahs, prominent media lawyer, in 2016 Lawyer of the Year for North Rhine‐Westphalia)

Alessio J. G. Brown Alessio J. G. Brown (Director for Strategy and Research Management, IZA)

Alessio J. G. Brown (Director for Strategy and Research Management, IZA)

Martina BihnMartina Bihn (Editorial Director, Business/Economics & Statistics Springer Heidelberg)

Martina Bihn (Editorial Director, Business/Economics & Statistics Springer Heidelberg)

Klaus F. ZimmermannKlaus F. Zimmermann (Bonn University and IZA)

Klaus F. Zimmermann (Bonn University and IZA)

The eventParticipants

Participants

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Report on Discussion Forum: Evidence-based policy making

Discussion forum (left to right) with Tichy, Welter, Zimmermann, Dudenhöffer, Clement, Mattes, Lehr

Discussion (left to right) with Tichy, Welter, Zimmermann, Dudenhöffer, Clement, Mattes, Lehr

On the occasion of the leave of IZA Founding Director Zimmermann and in the presence of more than 230 participants from science, policy, business and media, a prominent round of experts discussed the challenges and perils of policy making on the basis of scientific policy advice. The event took place in the Universitätsclub Bonn (University Club of Bonn University) on February 22, 2016. Under the moderation of Professor Ferdinand Dudenhöffer (Direktor, CAR-Center Automotive Research, University of Duisburg-Essen), the panelists were: Roland Tichy (Prominent independent journalist and Head of the Ludwig-Erhard-Foundation; former Editor-in-Chief of Wirtschaftswoche), Professor Friederike Welter (President of the Bonn-based Institut für Mittelstandsforschung; prominent policy advisor), Professor Klaus F. Zimmermann (Bonn University and IZA), Professor Ferdinand Dudenhöffer, Wolfgang Clement (former Prime Minister of North Rhine-Westphalia and Minister for Economics and Labor in the reform cabinet of Chancellor Schröder), Bernhard Mattes (Chairman, Ford of Germany and Vice President, Ford of Europe) and Gernot B. Lehr (Partner, Redeker Sellner Dahs, prominent media lawyer, in 2016 Lawyer of the Year for North Rhine‐Westphalia).

Although the success and the potential of evidence-based policy advice have been widely shown, the concept is subject to criticism from various sides. The panel was discussing the issue dealing with the quality and potentials of research, the interactions between policy-makers and scientists, the development of the media and the legal constraints, and the role and demand of business. A conclusion has been that evidence-based policy advice requires a combination of research and advice with a global orientation. Only the best scientific findings should provide the foundation for important economic policy decisions. This superiority is owed to global competition both in research and policy advice, which ensures the use of the best methodology and findings.

Then Dr. Alessio J. G. Brown (Director for Strategy and Research Management, IZA) summarized the vision and success story of IZA over the last 18 years since its creation. IZA has become the world’s leading network of labor economics, visible and active in all major countries, and collaborating and working with institutions like the World Bank, the OECD, the ILO and the EU Commission. Wolfgang Clement and Roland Tichy stressed the contributions of the Founding Director for these developments. Martina Bihn (Editorial Director, Business/Economics & Statistics Springer Heidelberg) reported the long-term excellent collaborations with the Springer-Verlag, including the 30 years of the role of Zimmermann as Founding Editor-in-Chief of the Journal of Population Economics. She announced that he would continue in this role as Editor-in-Chief and would lead for Springer-Verlag a major new reference collection in the profession.

At the opening of the event, Moderator Dudenhöffer had read a longer farewell letter of Professor Hans-Werner Sinn, (President of Ifo-Institute Munich and University of Munich) with his appraisal.

Zimmermann expressed his gratitude for 18 years of successful work to create a unique institution and global network. He thanked in particular his devoted support staff at IZA, the large network of currently 1500 fellows and affiliates word-wide, Bonn University and the Deutsche Post Foundation.

Media Coverage: The newspaper Bonner Generalanzeiger reported and commented.

Photographer: Sebastian Laubert, Bonn

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Hans-Werner Sinn über Klaus F. Zimmermann

Hans-Werner Sinn (ifo-Institut und Universität München) über Klaus F. Zimmermann (Universität Bonn und Gründungsdirektor IZA)

Anläßlich der Veranstaltung “Herausforderungen der wissenschaftlichen Politikberatung” im Universitätsclub Bonn der Universität Bonn am 22. Februar 2016 wurde im Auftrag von Hans-Werner Sinn folgendes Schreiben verlesen:

“Verehrte Festversammlung,

da ich nicht persönlich dabei sein kann, möchte ich Ihnen und dem zu Verabschiedenden gerne diese Grußbotschaft zukommen lassen.

Ich kenne Klaus Zimmermann seit etwa über 40 Jahren. Er fiel mir als eifriger Student in meiner Übung zur Finanzwissenschaft an der Universität Mannheim auf. Als er sein Diplom machte, gelang es mir, meinen Chef, Hans-Heinrich Nachtkamp, zu überzeugen, ihm ein Angebot für eine Assistentenstelle zu machen. Er ging statt dessen zu Heinz König.

Wir waren dann viele Jahre Assistentenkollegen und haben auch privat einige Zeit miteinander verbracht. Ich schätzte stets seine gedankliche Schärfe und seinen Fleiß. Keiner machte ihm auf dem Gebiet der Arbeitsmarktökonomik und der Ökonometrie etwas vor. Ende der 1980er Jahre gelang es mir, ihn auf einen Makro-Lehrstuhl nach München zu holen. Dort krempelten wir als Dekane und in anderen Funktionen die Fakultät ziemlich um und haben so manche Initiative gemeinsam betrieben, von der die Fakultät noch heute profitiert. Klaus Zimmermann war auch im Beirat des von mir 1991 gegründeten CES.

Wir waren einige Jahre Kollegen, bis sich unsere Wege Ende der 1990er Jahre wieder trennten. Er ging nach Berlin zum DIW und gründete das IZA in Bonn. Ich ging zum ifo und gründete das CESifo-Netzwerk. Damals standen wir in einer gewissen Rivalitätsbeziehung zueinander. Irgendwann haben wir uns auch einmal gestritten wegen einer überraschend großen Zahl, die man in einer seiner Migrationstabellen fand, die er aber nicht so kommuniziert wissen wollte, wie ich es tat. Für die Journalisten war das köstlich, und unerfahren, wie wir waren, haben wir uns zu Äußerungen hinreißen lassen, die wir sicherlich heute beide bedauern.

Ich habe in dieser Zeit nie die Hochachtung vor seinem enormen Einsatz, seinen analytischen Fähigkeiten und seiner persönlichen Integrität verloren. Seine Migrationsforschung war bahnbrechend und wichtig, wie die heutigen Ereignisse in Europa zeigen.

Es gibt viele ideologische und naive Menschen auf der Welt, auch in der Wissenschaft. Klaus Zimmermann gehörte nicht dazu. Er war stets pragmatisch und wissenschaftlich wie gesellschaftspolitisch ein Schwergewicht.

Klaus Zimmermann hat das DIW grundlegend umgekrempelt und daraus eine hocheffiziente Institution gemacht, die in den Rankings nach oben schnellte. Er siedelte das Institut nicht nur physisch um, sondern sondern auch politisch. Aus einer stark gewerkschaftlich orientierten Einrichtung wurde ein respektables ökonomisches Forschungsinstitut im Spitzenbereich, das sich inhaltlich im Mainstream bewegte.

Das hat man ihm übelgenommen. Wie immer war es dann irgendein Vorwand, unter dem man ihn abschob, um wieder den alten Stallgeruch verbreiten zu können. Wenn man funktioniert, wird vieles toleriert, doch wenn man unangenehm ist, wird gesucht, bis man etwas findet, echtes oder auch nur vermeintlich echtes.

Die Institutspräsidentschaft ist ein Schleudersitz. Deswegen ist jedem, der dieses Amt antritt, dringend zu raten, sich eine absolut sichere Rückfallposition in der Universität zu sichern. Dann kann einem keiner was, und man traut sich den Mund aufzumachen.

Klaus Zimmermann hat auch am IZA Großes geleistet. Er hat das weltweit beste und wichtigste Netzwerk aus dem Bereich der Arbeitsökonomik aus dem Boden gestampft und Deutschland als Wissenschaftsstandort weltweit Anerkennung in unserer Disziplin verschafft.

Ein Hoch auf diesen Wissenschaftler, der sein Leben für die gute Sache eingesetzt hat!

Euch, lieber Klaus und liebe Astrid, alles Gute für die kommenden Jahre. Vielleicht wandern wir ja wieder einmal durch die Pfalz nach Frankreich, solange die Grenzen noch auf sind.

Herzliche Grüße auch von Gerlinde,
Euer Hans-Werner
21. 2. 2016

Hans-Werner Sinn, ifo Institut & LMU”

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Verfassers. Sinn ist Präsident des Ifo-Instituts und Universitätsprofessor der Universität München.

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