Eine Stellungnahme des IZA: Lobbyismus und “Tarnkappenwissenschaft”

Diese Stellungnahme des IZA wird hier dokumentiert:

Auf politisch „links“ einzuordnenden Websites und in sozialen Medien und als Teil einer langfristig angelegten Kampagne wird das IZA gerne als neoliberaler Thinktank und Interessensvertreter (Lobbyist) der Wirtschaft „gebranntmarkt“. Ziel ist, die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit des IZA zu beeinträchtigen. Ein Lobbyist wird für seine Interessenvertretung bezahlt. Dazu kommt die Darstellung, das IZA tarne sich als Wissenschaftler, denn es nutze seine Verbindung mit der Universität Bonn, um unter dem Mantel der Wissenschaft Interessen der Wirtschaft zu vertreten. Dabei mache es nicht transparent, dass es von der Deutschen Post-Stiftung gefördert werde. Das IZA weist diese Aussagen mit Nachdruck zurück.

Dass das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) eine unabhängige wissenschaftliche und transparente Forschungseinrichtung ist, wird in der universitären Welt nicht bestritten. Die renommierte wirtschaftswissenschaftliche Ranking-Organisation RePEc führt das IZA als Nr. 1 der wirtschaftswissenschaftlichen Institutionen Deutschlands.

Ehrenrührige Sachaussagen müssen in einem Rechtsstaat auch im Internet-Zeitalter nicht hingenommen werden. Auch eine freie Meinungsäußerung darf Grenzen der Anständigkeit nicht verletzen und muss sich auf belastbare Tatsachen stützen lassen. Das IZA weist die in Rede stehenden Aussagen deshalb mit Nachdruck zurück.

Das IZA begrüßt die Möglichkeit, ein weiteres Mal auf seine Aufgaben und Strukturen hinweisen zu können, die mit im Internet verbreiteten Behauptungen nichts zu tun haben. Das IZA ist keine gesellschaftspolitische Kampforganisation und stellt auch seine unabhängigen wissenschaftlichen Strukturen transparent dar.

Das IZA ist nicht nur ein in Deutschland ansässiges und als gemeinnützig anerkanntes Forschungsinstitut mit einem globalen Forschungs- und Beratungsauftrag, sondern es ist auch das größte Forschernetzwerk von Ökonomen, das weltweit über 1300 Wissenschaftler aus 50 Ländern zusammenführt und ihre Forschungs- und Beratungsbeiträge kommuniziert. So sind seit 1998 beispielsweise weit über 8000 Diskussionspapiere in der IZA Discussion Paper Series erschienen.

Das IZA ist durch seine Konstruktionsprinzipien in einer einzigartigen Weise unabhängig und transparent. Dank einer soliden Grundfinanzierung (Wissenschaftsförderung) durch die Deutsche Post-Stiftung ist das IZA unabhängig von Auftragsforschung. In seiner wissenschaftlichen Arbeit und Beratungsaktivität unterliegt es keinen Vorgaben und Auflagen und handelt unabhängig. Daneben wirbt das Institut im Wettbewerb regelmäßig Forschungs- und Beratungsaufträge ein, bsw. von Institutionen wie der Weltbank, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Volkswagen-Stiftung, der Thyssen-Stiftung, der Europäischen Union, dem Britischen Entwicklungshilfeministerium (DFID) und dem Bundeswirtschaftsministerium.

Allerdings werden die Aktivitäten im weltweiten IZA-Forschernetzwerk durch die Netzwerkwissenschaftler eigenständig finanziert. Das IZA übernimmt hier nur die Koordination und Kommunikation. So reflektiert der Forschungsoutput des IZA etwa in Form der IZA Discussion Paper Series schlicht den breiten Stand arbeitsmarktökonomischen Denkens und Wissens auf der Welt und somit auch wie selbstverständlich die Vielfalt alternativer wissenschaftlicher Ansätze.

Die vielfältigen Förderungen werden in geeigneter Weise benannt, insbesondere auf der Homepage des IZA. So wird auf die Förderung durch die Deutsche Post-Stiftung bereits auf der Startseite der IZA-Homepage sowie in den Diskussionspapieren hingewiesen. Projektbezogene Förderungen werden im Kontext der IZA-Veranstaltungen und der Berichte auf der IZA-Website oder in den entstehenden Forschungspapieren und Publikationen genannt.

Das IZA kooperiert mit der Universität Bonn genauso wie mit anderen Universitäten, Forschungseinrichtungen und Institutionen in der Welt. Es ist weder Teil der Universität Bonn noch erweckt es den Eindruck, Teil dieser staatlichen Universität zu sein. Allerdings ist der Direktor des IZA ein an die Universität Bonn berufener ordentlicher Professor des Landes Nordrhein-Westfalens. Zuvor war er ein Jahrzehnt ordentlicher Professor der Universität München.

Ökonomen sollen frei von Restriktionen forschen und beraten können. Das IZA hat bereits im April 2012 noch vor dem Verein für Socialpolitik (VfS), der Vereinigung der Ökonomen im deutschsprachigen Raum, einen eigenen Ethikkodex beschlossen, der Autoren unter anderem verpflichtet, transparent auf mögliche Interessenskonflikte hinzuweisen, und so die Objektivität der Wissenschaft zu sichern. Auf Basis von Vorschlägen einer international besetzten Kommission war der Entwurf in seinem weltweiten Forschernetzwerk zur Diskussion gestellt und anschließend verabschiedet und allen Mitarbeitern und Netzwerkwissenschaftlern zur Verfügung gestellt worden. Bereits zu Jahresbeginn 2012 hatten sich die in der American Economic Association organisierten amerikanischen Ökonomen entsprechende Regeln gegeben.

Weitere Informationen:

http://www.iza.org/en/webcontent/about/IZAResearchIntegrity.pdf – IZA-Ethikkodex http://www.iza.org/en/webcontent/publications/papers – IZA Discussion Paper Serie http://ideas.repec.org/top/top.germany.html – RePEc Ranking

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Warnung aus der Wissenschaft vor der deutschen Wikipedia

Sind deutsche Wikipedia-Seiten unzuverlässig und ideologisch?

Der international renommierte Dortmunder Statistik – Professor und vielfache Bestseller – Autor Walter Krämer warnt jetzt vor der Benutzung der deutschen Wikipedia – Seiten in Statistik und Wirtschaftswissenschaften. Er hat deshalb deren Benutzung für Abschlussarbeiten an der Universität Dortmund untersagt:

Warnung vor Wikipedia
Zitate aus der deutschen Wikipedia sind ab jetzt in akademischen Abschlussarbeiten an meinem Institut nicht mehr erlaubt. Anders als die englische wird die deutsche Wikipedia von Ideologen dominiert. Außerdem steckt sie in vielen Artikeln zu Wirtschaftswissenschaften und Statistik voller Fehler. Zum Beispiel scheint einigen Wikipedia-Schreibern nicht klar zu sein, dass Durchschnitt und Mittelwert Synonyme sind. Generell ist das Niveau von Artikeln zur Statistik weit unterhalb einer Bachelorarbeit an unserer Fakultät.
Walter Krämer

Tatsächlich finden viele Stimmen deutsche Einträge wissenschaftlich problematisch, aber auch oft links-ideologisch unterlaufen.

Die deutschen Betreiber von Wikipedia sollten mögliche Probleme zur Kenntnis nehmen und sich einer offenen Diskussion über Zugang und Qualitätskontrolle stellen.

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The Crimea Crisis: Consequences of the Russian-Ukrainian Divide

The recent serious developments in the Ukraine expose growing tensions between ethnic Russians and Ukrainians in the country, evident since the Orange Revolution. Recent IZA research shows that these tensions reflect deeper divides in political preferences but also economic disparities between the two ethnic groups.

Two recently published studies co-authored by Amelie F. Constant (IZA and George Washington University), Martin Kahanec (IZA and Central European University) and Klaus F. Zimmermann (IZA and Bonn University) shed light on the sources of the deep economic and political divide between the two largest ethnic groups in Ukraine, Russian and Ukrainian.

The first study published in Eastern European Economics shows that voting preferences for the pro-European, pro-Orange, political parties were strongly driven by preferences for western-type market economy and democracy. Independently of preferences for market economy and democracy, however, voting preferences of ethnic Ukrainians and ethnic Russians were markedly different.

As the Russian-Ukrainian differences in voting preferences could not be explained by differences in age, education, region or other socio-demographic characteristics, they rather reflected a deeper ethnic divide in the Ukrainian society.

Specifically, Ukrainian speakers reporting Ukrainian ethnicity (natsionalnost) were shown to be 44 percent less likely to vote pro-European parties, and almost 40 percent (17 percentage points) of this gap was due to ethnicity, the rest being explained by other socio-demographic factors. Interestingly, even those ethnic Ukrainians whose primary language was Russian differed from Russian speakers of Russian ethnicity by 10.5 percent in favor of pro-European parties, of which 34 percent (3.6 percentage points) was due to Ukrainian ethnicity. The gaps were even larger between ethnic Ukrainians who spoke Ukrainian and those who spoke Russian.

The second study published in Economics of Transition sheds light on some economic factors that may explain ethnic tensions in Ukraine. According to this study, whereas Ukraine emerged from the Soviet Union with no ethnic differentials beyond discrepancies that could be explained by regional or socio-demographic differences, an earnings gap between Russian and Ukrainian speakers emerged during Ukraine’s transition.

According to the study, Russian-speaking men earned on average about 28 percent more and Russian-speaking women about 14 percent more than their Ukrainian colleagues. Whereas a larger part of these gaps can be explained by factors such as age, education, or regional differences, 25 percent (6.8 percentage points) of the gap between male workers and 34 percent (4.8 percentage points) of the gap between female workers is due to the ethnic divide between Russian and Ukrainian speakers.

The two studies are:
A.F. Constant, M. Kahanec, and K. F. Zimmermann, The Russian-Ukrainian Political Divide, Eastern European Economics, 49 (2011), S. 97-109
A.F. Constant, M. Kahanec, and K. F. Zimmermann, The Russian-Ukrainian Earnings Divide, Economics of Transition, 20 (2012), S. 1-35

The studies use IZA survey data discussed in:
H. Lehmann, A. Muravyev, and K. F. Zimmermann, The Ukrainian Longitudinal Monitoring Survey: Towards a Better Understanding of Labor Markets in Transition, IZA Journal of Labor and Development, 1 (2012), Article 9

To obtain copies of these three studies contact: director@iza.org

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Die große Koalition ignoriert die Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt

Die Großkoalitionäre haben ihre Fahrkarten gelöst, der Zug hat sich auf den Weg gemacht – scheinbar in Richtung Nirgendwo. Dabei stehen wichtige Aufgaben an: Das Ziel für den deutschen Arbeitsmarkt kann nur Vollbeschäftigung mit sicheren und gut bezahlten Jobs sein. Dieser Erwartung der Wähler werden sich die Parteien nicht entziehen können. Sich heute gut fühlen reicht nicht, es muss auch für eine gute Zukunft gesorgt werden.

Noch ist nichts verloren: Der Koalitionsvertrag ist zwar von vielen als ein mutwilliger Anschlag auf die Zukunft des Arbeitsmarktes verurteilt worden – kraftlos, ohne Visionen und gezielt auf das Wohlbefinden der politischen Akteure ausgerichtet. Solche Kritik übersieht aber die Funktion solcher Vereinbarungen. Koalitionsverträge definieren Einstiegs- und Rückfallbedingungen, bestimmen aber selten die Geschwindigkeit und die Richtung des Regierungsprozesses. Schon gar nicht in Zeiten rasch umschlagender politischer und wirtschaftlicher Wetterlagen.

Das heißt schlicht: Die Würfel für die Gestaltung des Arbeitsmarktes der Zukunft sind noch nicht gefallen. Das heißt auch, Bürgerinnen und Bürger müssen sich das derzeitige arbeitsmarktpolitische Durcheinander nicht bieten lassen.

Wenn die Politik nicht visionär ist, dann kommen die Herausforderungen mit umso größerer Vehemenz auf sie zu. Das Sommermärchen des Jahres 2013, die Zukunft sei nur ein Verteilungsproblem,und wir könnten als Deutsche alles unter uns ausmachen, hat sich als Illusion erwiesen. Die zu lange ignorierten Herausforderungen des Arbeitsmarktes sind: der demografische Wandel und der daraus resultierende Fachkräftemangel, die sich verfestigende Langzeitarbeitslosigkeit und die fehlende Integration der europäischen Arbeitsmärkte.

Die Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung in Deutschland setzt rasch ein. Die Kluft zwischen dem, was Unternehmen brauchen, und dem, was Arbeitnehmer geben können, muss geschlossen werden. Die Mobilisierung von Fachkräftereserven durch den besseren Einsatz von Frauen, Älteren und Migranten, die Reform der Lehrlingsausbildung, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Hochschulen und die Schaffung von Möglichkeiten lebenslangen Lernens dürfen nicht mehr nur Lippenbekenntnisse sein.

Die Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit ist sträflich vernachlässigt worden. Vollbeschäftigung und Gerechtigkeit wird es nicht geben, wenn Menschen früh aussortiert werden. Das oberste Ziel der Jobzentren muss es sein, dass Menschen arbeiten. Das ist für den eigenen Selbstwert und die Wertschätzung in der Gesellschaft von großer Bedeutung.

Ein prosperierendes, einiges Europa wird es ohne integrierte Arbeitsmärkte nicht geben können. Die mangelnde Mobilität, aber auch die neuen Zäune innerhalb der Europäischen Union, die unberechtigte Ängste vor einer zerstörerischen Wohlfahrtsmigration zementieren, liefern gutes Anschauungsmaterial dafür, wie wenig weit wir damit gekommen sind. Trotz geringer Arbeitslosigkeit in manchen Teilen Europas und hoher Arbeitslosigkeit in anderen kommt es nur zu geringfügigen Wanderungen. Zirkuläre Migration, also ein produktives Hin und Her, wird aber gerade in Zukunft nötig sein, um rasche wirtschaftliche Anpassungen im Interesse aller in der europäischen Gemeinschaft zu ermöglichen. Die europäische Idee landet sonst auf dem Scherbenhaufen der Geschichte.

Arbeitsmarktpolitik ist dann besonders erfolgreich, wenn sie sich auf die Setzung von allgemeinen Zielen beschränkt. Jobs schaffen ohnehin nur die Unternehmen. Die Arbeitsagenturen müssen die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik bedacht auswählen und dosieren, kontrolliert durch eine wissenschaftliche Prüfung ihrer Effizienz.

Leider besitzen Politiker die Neigung, sich ständig in Details einzumischen. Dabei behindern sie häufig den Erfolg der Maßnahmen und dessen saubere Messung. Die Politik sollte sich stattdessen endlich mit den langfristigen Herausforderungen beschäftigen, bevor es zu spät ist.

January 09, 2014, Die Zeit (Op-ed by Klaus F. Zimmermann)

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„Familienarbeitszeit“ – ein Problem für den Arbeitsmarkt

Eltern sollen sich nach dem Willen der Großen Koalition die Kinderbetreuung teilen, „Familienarbeitszeit“ nannte das das SPD – Wahlprogramm. Ziel ist der Ausbau der Teilzeitarbeit. Nach Koalitionsvertrag soll der Arbeitnehmer, der wegen der Kinderbetreuung von Vollzeit auf Teilzeit wechselt, die Möglichkeit bekommen, seine Stunden später wieder aufzustocken. Ferner soll es beim Elterngeld einen Zuschlag geben, wenn die Eltern ihre Arbeitszeit reduzieren.

Auch für diese Initiative gilt der generelle Grundsatz: Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Ich erinnere daran, dass erst vor kurzem aus dem Bundesfamilienministerium ein ähnlicher Vorschlag gekommen ist: Um die Lage von pflegenden Angehörigen zu erleichtern sollen danach Arbeitnehmer für die Dauer von zwei Jahren die Möglichkeit erhalten, halbtags zu arbeiten und nach Ablauf von zwei Jahren wieder in eine Vollzeitbeschäftigung zurückzukehren.

Dies reiht sich ein in eine Reihe ähnlicher geplanter Massnahmen bis zu Gesetzen der letzten Regierung, die Betreuung von Kleinkindern zuhause zu fördern.

Insgesamt verteuern die meisten solcher Maßnahmen die Arbeitskosten und führen zum Verlust von Arbeitsplätzen. Sie sind aber auch gesellschaftspolitisch, familienpolitisch und arbeitsmarktpolitisch falsch. Wegen der demographischen Schrumpfung müssen wir künftig mehr arbeiten, nicht weniger. Der Fachkräftemangel erfordert die Mobilisierung gerade der Frauenerwerbsbeteiligung. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sollte durch den Ausbau des Kinderbetreuungssektors gesichert werden, sowie durch den Abbau von Anreizen zuhause zu bleiben, wie dem Ehegattensplitting. Die Stärkung der Vollzeitbeschäftigung von Frauen stärkt auch die Aufgabe, die Lohndifferenzen zwischen den Geschlechtern abzubauen. Es hilft auch den Kindern kaum, wenn sie einmal während der Arbeitswoche „von Papa betreut“ werden.  Eine ordentliche professionelle Kinderbetreuung hilft Kindern generell mehr und schafft Arbeitsplätze.

Ich warne deshalb vor immer neuen derartigen Eingriffen in den Arbeitsmarkt.
Insbesondere für mittelständische Betriebe, die immerhin mehr als 70 Prozent aller Jobs in Deutschland bereitstellen, sind solche Vorschläge als bindende Verpflichtung kaum praktikabel.

Mehr Flexibilität ja, mehr Familienfreundlichkeit ja – aber auf freiwilliger Basis.

Der bessere Weg ist aus meiner Sicht,  Firmen zu bewegen, mehr in die Betreuung der  Kleinkinder von Betriebsangehörigen zu investieren. Sei es als Zuschuss zum Kita-Besuch, sei es durch eigene Krippenplätze. Diese Ausbaustrategie  sollte Priorität haben. Und in einer Zeit wachsender Verknappung von Fachkräften sollten wir alles tun, deren Potenziale zu hundert Prozent auszuschöpfen. Schon heute hat Deutschland eine zu hohe Teilzeitquote. Die Politik ist gut beraten, hier nicht noch zusätzliche Anreize zu schaffen.

Mehr zur Thematik s. den Artikel von Dietmar Neuerer in Handelsblatt – online.

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Die falschen Hoffnungen auf den Mindestlohn

Die neue deutsche Bundesregierung plant die schrittweise Einführung eines flächendeckenden Mindeststundenlohnes von 8,50 Euro. Das ist mutig, denn damit setzt sich Deutschland in die Spitzengruppe der weltweiten Mindestlohnregelungen. Nach einer Simulation mit den Daten des Sozio-oekonomischen Panels betrifft dies unter den beschäftigten Arbeitern und Angestellten Deutschlands 4,5 Millionen Menschen oder 15 Prozent. Dabei wird auch die große Mehrheit der jungen Deutschen unter 25 Jahren erfasst. In Europa hat nur noch Frankreich mit 9,43 Euro einen höheren Mindestlohn. Dafür gab es Ende 2012 dort eine Jugendarbeitslosigkeit von knapp 26 Prozent.

Der Anpassungsbedarf auf den Märkten wird also erheblich sein. Viele Sektoren haben Flächentarifverträge, die unterhalb des geplanten Mindestlohns abgeschlossen sind. Darüber hinaus ist die Einkommenssicherung in Deutschland komplex: Das Grundgesetz verbietet Armut, sodass Niedriglohnbezieher durch staatliche Subventionierung „aufstocken“ können. Neben den Tariflöhnen gibt es ferner eine staatliche Grundsicherung auch ohne Arbeit in Form von „Hartz IV“. Da Deutschland bisher keine flächendeckenden Mindestlöhne kennt, ist die massive Einführung deshalb Neuland, das der Forschung immerhin reichlich Anschauungsmaterial für neuen Studien liefern wird.

International lösen die deutschen Pläne großes Erstaunen aus. Richtig, viele Länder haben einen Mindestlohn. Allerdings auf einem viel niedrigerem Niveau, auf dem er weniger Schaden anrichten kann. In den USA liegt er bei 7,25 Dollar, also bei gut 5 Euro. Allerdings fallen nur weniger als 3 Prozent aller amerikanischen Arbeitnehmer unter diese Regelung. Einige, die wie Paul Krugman gerade wieder die Steigerung der Mindestlöhne zur Konjunkturstimulierung in den USA empfehlen, werden einen allgemeinen deutschen Mindestlohn zur Kräftigung der Massenkaufkraft für gut befinden. Dann wäre dies der deutsche Beitrag zur Stärkung der nationalen Binnenkonjunktur, der über steigende Importe auch den großen Exportüberschuss abbaut und so die Kritik am deutschen Exportwunder verstummen lassen könnte.

Wahrscheinlicher ist jedoch, dass dadurch ein Großteil der Jobs im Niedriglohnbereich, die in den letzten Jahren entstanden sind, langfristig wieder verschwindet. Die Flexibilität des deutschen Arbeitsmarktes, die geringfügige Beschäftigung signalisiert, könnte so wieder eingeschränkt werden. Und Jobverluste müssen nicht primär unter denen entstehen, die im neuen Mindestlohnbereich arbeiten. Es könnte auch gering qualifizierte Vollzeitbeschäftigte mit einer Entlohnung über dem Mindestlohn treffen, die wegen sinkender Nachfrage entlassen werden, wenn die Unternehmen die Kostensteigerungen auf die Produktpreise überwälzen, was sie versuchen werden.

Niedriglohnbezieher sind in Deutschland nicht typischerweise gering qualifiziert, sie leben überwiegend nicht allein von diesem geringen Einkommen, noch gehören sie typischerweise zu von Armut bedrohten Haushalten. Das ist ein anderer Trugschluss der Mindestlohnbewegung: Mindestlöhne sind kein gutes Umverteilungsinstrument. So haben Studien ergeben, dass die Einführung des Mindestlohns in Deutschland die Einkommensverteilung der Haushalte kaum „gerechter“ machen wird.

Da nicht primär einkommensschwache Haushalte profitieren, wird es den erhofften Konsumschub kaum geben, also auch keine Stärkung der Importe. Der Mindestlohn stärkt auch nicht die Gewerkschaften, die langfristig die Anreize verlieren, sich ohne Staatseinfluss für die Arbeitnehmer zu engagieren. Somit bleibt nur das trügerische gute Gefühl der Akteure, etwas für die Gerechtigkeit getan zu haben.

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Der deutsche Arbeitsmarkt braucht flexible Jobs

Deutschland wird derzeit zu Recht international wegen seiner erfolgreichen Arbeitsmarktentwicklung gelobt. Es arbeiten mehr Menschen als je zuvor. Auch die Problemgruppen haben ihren fairen Anteil an dieser Entwicklung. Viele flexible, aber auch viele gute Jobs sind entstanden. Dabei hatten wir uns im Zuge der Hartz-Arbeitsmarktreformen einer wesentlichen Lockerung des Kündigungsschutzes verweigert, anders als in vielen Partnerländern der Europäischen Union (EU). Deutschland ist einen eigenen Weg gegangen, die notwendige Flexibilisierung von Jobs zu erreichen.

Dänemark und Holland hatten angesichts der globalen Flexibilisierungsnotwendigkeiten in den 1990er Jahren als erstes eine Politik begründet, die einen geringen Kündigungsschutz mit kurzfristig großzügiger Arbeitslosigkeitsunterstützung und einer aktiven Eingliederungsförderung verbanden. Unter dem Begriff “Flexicurity” fand das Konzept 2000 Eingang als Modell in die Europäische Sozialcharta. Es ist als Ziel festgeschrieben, um zahlreichere und bessere Arbeitsplätze zu schaffen und den sozialen Zusammenhalt durch gute Beschäftigung zu unterstützen.

Deutschland hat dieses Modell erfolgreich eigenständig interpretiert, hat viele Formen der unternehmensinternen Flexibilität gefunden. Aus den derzeitigen Koalitionsverhandlungen droht diesem Erfolgskurs nun allerdings Ärger. Die Verhandlungspartner schicken sich an, wichtige Flexibilisierungselemente des deutschen Arbeitsmarktes einzuschränken. So wird u.a. diskutiert, die sachgrundlos befristete Beschäftigung abzuschaffen. Zeitarbeiter sollen gesetzlich verpflichtend Tarifvertragsarbeitnehmern gleich gestellt werden.

Letztes Jahr waren 2,7 Millionen befristet beschäftigt, also knapp 10 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Etwa 50 Prozent davon sind sachgrundlos befristet. Knapp 40 Prozent erhalten derzeit danach einen unbefristeten Vertrag. Ohne Angaben von Gründen können Mitarbeiter bis zu 2 Jahren befristet werden. Bei Abschaffung bleibt als Alternative die unbegrenzt mögliche sachbegründete Beschäftigung, etwa in einem Projektzusammenhang. Sie ist aber mit erheblichen Rechtsunsicherheiten für Unternehmen und Arbeitnehmer behaftet. Die sachgrundlose, sozialere Variante der Befristung ist aber ein pragmatisches Instrument, das kostengünstig und rasch Verträge schliessen läßt. Sachbegründung schafft unnötige Bürokratie und verhindert im Zweifel die Einstellung.

Nur 3 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten sind in Zeitarbeit tätig. Die Branche ist in Deutschland international gesehen eher zu klein aufgestellt. Denn Zeitarbeit bietet einerseits dauerhafte und vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten und ermöglicht den Unternehmen die Realisierung unsicherer Produktion, also die Erfüllung unklarer und schwankender Nachfrage von Kunden. Eine wesentliche Brückenfunktion zu einer regulären Beschäftigung außerhalb der Zeitarbeitsbranche läßt sich allerdings nicht nachweisen. Zeitarbeiter erhalten vergleichbar ca. 15 Prozent niedrigere Löhne, die nicht durch individuelle Faktoren erklärt werden können. Werden die Löhne gleichgestellt, werden viele Zeitarbeiter wieder das, was sie zuvor waren: arbeitslos. Auch behindert dies die weitere Entwicklung der Branche, in derem Zuge die Löhne steigen könnten.

Sollten diese Pläne umgesetzt werden, dann sind hunderttausende Arbeitspätze bereits kurzfristig in Gefahr. Durch die fehlende Produktion werden weitere Arbeitsplätze entfallen. Und der deutsche Arbeitsmarkt befindet sich auf dem Wege zurück in die Vergangenheit, nicht der 1960er Jahre der Vollbeschäftigung, sondern an das Ende der 1990er, wo uns der “Economist” angesichts der Dauerarbeitslosigkeit zum “kranken Mann Europas” deklarierte. Sollte das Realität werden, dann wird die Diskussion um eine allgemeine Lockerung des Kündigungsschutzes wieder einsetzen.

Dieser Artikel ist auch unter dem Titel “Schwarz-Rot gefährdet hunderttausende Jobs “ am 16. 11. 2013, S. 8, im Berliner “Tagespiegel” erschienen. (IZA Newsroom).
 

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Der Mindestlohn ist die Axt am Reformmodell Deutschland

Meine detaillierte Analyse dazu.

Der deutsche Arbeitsmarkt eilt von Erfolg zu Erfolg. Die Arbeitslosigkeit in Deutschland liegt nur noch bei 2,8 Milllionen; die Beschäftigung ist jetzt, auch durch Zuwanderung, auf ein Rekordniveau von 42 Millionen angestiegen. Noch nie waren bei uns so viele Menschen erwerbstätig. Und das, obwohl seit dem Ende der Hartz – Reformen des Arbeitsmarktes zwei deutsche Bundesregierungen nichts mehr wesentliches getan haben, um den deutschen Arbeitsmarkt voran zu bringen.

Um den Erdball herum wird die tolle Arbeitsmarktlage bewundert und hinterfragt. Bei Vorträgen und Diskussionsveranstaltungen u.a. in Schweden, der USA, Australien, Neuseeland, China, zuletzt in Paris/Frankreich, Atlanta/USA und Oslo/Norwegen ist das Interesse gross, vom deutschen Erfolg zu lernen. Wird er andauern?

Das ist keinesfalls gesichert. Wir tun nicht das, was nötig wäre, um die Dauerarbeitslosigkeit zu senken, die nicht genügend fällt. Hier haben wir eine Aufgabe, Vollbeschäftigung muss weiter unser Ziel sein. Und wir sind überhaupt nicht auf die kommenden demographischen Verwerfungen vorbereitet, die Schrumpfung unserer Bevölkerung und die Alterung im Arbeitsmarkt.

Die derzeitigen Koalitionsverhandlungen signalisieren, dass die neue Bundesregierung einen flächendeckenden Mindestlohn einführen wird. Dies würde das Ziel der Vollbeschäftigung verraten. Der Mindestlohn ist die Axt am Reformmodell Deutschland. Er ist ein Akt der Selbstbefriedigung und dient keinem der gutgemeinten Ziele, die er vorgibt. U.a. der “Spiegel” und die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” haben über meine Einschätzung berichtet.

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Der Mindestlohn ist eine Mogelpackung

Der „SPIEGEL“ schreibt in einer Vorabmeldung am Sonntag, 27.10.2013 – 08:08 Uhr für seine Printausgabe:

Arbeitsmarktexperte befürchtet Jobverlust bei flächendeckendem Mindestlohn

Der Arbeitsmarktforscher Klaus F. Zimmermann warnt Union und SPD vor der Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns. “Solche Vereinbarungen sind die Axt am Reformmodell Deutschland. Sie signalisieren den Verzicht auf eine Vollbeschäftigungsstrategie”, sagt der Direktor des renommierten Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn. Bedenklich sei dabei nicht nur ein politisch bestimmter Mindestlohn von 8,50 Euro, wie er derzeit in den Koalitionsverhandlungen diskutiert wird, sondern auch eine Lohnuntergrenze generell. Dies sei ein ineffizientes Umverteilungsinstrument und brächte “trotz hoher Kosten nicht viel mehr an wirtschaftlicher Gleichheit”, kritisiert Zimmermann. Menschen mit Problemen auf dem Arbeitsmarkt, wie etwa zu geringer Qualifikation oder langer Arbeitslosigkeit, könnten starre Mindestlöhne sogar eher schaden. “Deren Vermittlung wird dann noch schwieriger”, sagt der Ökonom. Die meisten Unternehmen würden die zusätzlichen Kosten ohnehin durch Entlassungen auffangen oder auf die Preise ihrer Produkte schlagen. “Dadurch besteht die Gefahr von steigender Arbeitslosigkeit in Wirtschaftsbereichen auch außerhalb des Mindestlohnsektors”, warnt Zimmermann. Das IZA ist mit rund 1300 Wissenschaftlern weltweit das größte Forschungsnetzwerk der Ökonomie.

Für ein vertiefendes Forschungspapier siehe:

  • Pierre Cahuc,  Stéphane Carcillo, Ulf Rinne und Klaus F. Zimmermann, Youth Unemployment in Old Europe: The Polar Cases of France and Germany, IZA Discussion Paper Nr. 7490, revidierte Fassung erscheint in: IZA Journal of European Labor Studies, 2013

Für eine ausführliche Analyse siehe.

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Migration Research: Journal, Handbook, Network, Prize

In addition to a wide range of projects, IZA has been making significant progress in its migration activities. What follows is a brief report on just a few highlights so far.

The IZA Journal of Migration  is currently receiving the largest attention from the economics profession in terms of submitted and published papers and access among the 5 new IZA Journals published by IZA, the Institute for the Study of Labor , in cooperation with the renowned international publisher Springer Verlag. Amelie Constant  (George Washington University, Temple University and IZA) and Denis Fougere (CNRS) as Editors and Corrado Giulietti (IZA) as Managing Editor are responsible for this remarkable success in short time; they are supported by an excellent team of 10 Associated Editors who are all leaders of the field. The IZA Journal of Migration has already cooperated with other prestigious academic journals like the Journal of Human Capital in joint events. The innovative contributions published in the IZA Journal of Migration can be followed through this page.

The International Handbook on the Economics of Migration  edited by Amelie Constant (George Washington University and Temple University, and IZA) and Klaus F. Zimmermann (IZA and Bonn University). Just published by the renowned international publisher Edward Elgar, the handbook was already acclaimed by leading economic scholars and presented at prestigious events and briefings hosted at the Academy of Science Warsaw; Temple University, Philadelphia/USA; Georgia State University, Atlanta/USA, Eugenides Foundation Athens Greece; IZA Reform Workshop with the EU Commission Brussels; IZA Policy Fellow Meeting, Berlin. There will be special book presentations at the end of October 2013 at CASS, Academy of Sciences, Beijing, China, and in November 2013 at Brookings Institute, Washington DC/USA.

The IZA Migration Network headed by Amelie Constant (George Washington University and Temple University, and IZA) had organized this year its very successful conference with the support of Hebrew University in Jerusalem. Leading scholars of migration discussed the relationship between migration and human capital in a workshop under the leadership of Isaac Ehrlich (University at Buffalo, SUNY and IZA), Corrado Giulietti, Research Director of IZA, and Klaus F. Zimmermann (IZA and Bonn University), also Director of IZA.

The Luxembourg-based EIB Institute of the European Investment Bank awarded IZA Director Klaus F. Zimmermann with the first European EIB Prize for excellence in social and economic research and its implementation and diffusion. According to the prize committee chaired by Nobel laureate Christopher Pissarides (London School of Economics), Zimmermann’s outstanding research on migration and labor market issues has “led to a better understanding of the forces at work in Europe and of suitable policy prescriptions.”

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