Die Herausforderungen wissenschaftlicher Politikberatung

Forschung braucht keine gesellschaftspolitische Rechtfertigung, aber sie läßt sich oft von praktischen Herausforderungen inspirieren. Wissenschaft kann der Politik oft mangels verfügbarer harter Evidenz und überzeugender Einsichten nicht immer weiterhelfen. Dennoch können und sollten beide Seiten zu einer evidenzbasierten Politikberatung zusammenfinden. Die nationale und globale Arbeitsmarktpolitik liefert dafür gute Anschauungsbeispiele.

Das Jahr 2015 zeigte dies ein weiteres Mal. Die Regierungen Frankreichs und Italiens haben sich entschlossen, von den Erfolgen der deutschen Arbeitsmarktreformen zu lernen. Dies ist ein Fortschritt, auch wenn die erfolgreiche Umsetzung noch auf sich warten läßt. Andererseits fürchten viele in Europa weiterhin die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen offener und mobiler Arbeitsmärkte. Und dies trotz der erwiesenen Erfolge der Osterweiterung der Europäischen Union und der Belege in vielen internationalen Migrationsstudien. Daneben bietet die neue Flüchtlingsfrage leider Anlaß, solche Befunde zu ignorieren. Mehr Evidenzbasierung böte Potenziale.

Trotz ihrer Erfolge und Potenziale ist die wissenschaftliche, evidenzbasierte Politikberatung aber in diverse Kritik geraten. So könne sie die dafür nötige Unabhängigkeit gar nicht leisten, lautet ein Argument. Alle Politikempfehlungen seien letztlich interessengeleitet, also von politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten und Interessen bestimmt. Dies greift aber das Berufsethos des Wissenschaftlers an, zu dem die Erfüllung der Prinzipien guten wissenschaftlichen Arbeitens gehört, das Streben nach robusten Erkenntnissen und die interessensfreie Kommunikation von wissenschaftlichen Befunden. Neue Ethikregeln, denen sich die Profession inzwischen unterzogen hat, stellen dies sicher.

Gute Wissenschaft ist ferner immer global, gute Politikberatung dagegen, so die kritische Behauptung, vor allem national. Sicher ist die nationale Basis für einen Politikberater relevant, die institutionellen Verschiedenheiten sind wichtig. Aber die globalen Verflechtungen machen provinzielle Strategien zunichte. Für stark offene Volkswirtschaften wie Deutschland gibt es keine nationalen Politiken mehr. Die globale Wissenschaft sichert die Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Politikberater. Eine auf nationale Eigenheiten konzentrierte, einseitig deutsche Politikberatung würde also ihre Qualität nachhaltig gefährden.

Die evidenzbasierte Politikberatung fordert ferner die Verbindung von Forschung und Beratung in einer Person: Der Forscher ist auch Berater, der Berater forscht auch. In Deutschland haben der Wissenschaftsrat und andere Wissenschaftsorganisationen diese Einheit immer als notwendig erachtet. Die Akademien der Wissenschaft praktizieren dies weltweit. Die Kritik daran lautet: Die Niederungen des Politikgeschäfts halten nur von guter Forschung ab. Die Bedarfe der Politik können besser erfüllt werden, wenn man sich von den Zwängen der Forschungsbasierung befreit.

Natürlich darf und wird es immer Forscher geben, die sich der Politikberatung entziehen. Und Berater, die keine Forscher sein wollen. Beides sind dann aber keine Akteure der evidenzbasierten Politikberatung. Und dies liefert wahrscheinlich langfristig Politikergebnisse von erheblich minderer Qualität. Denn nur die besten wissenschaftlichen Befunde sollten die Basis wichtiger wirtschaftspolitischer Weichenstellungen ein. Nur Wissenschaftler, also diejenigen die durch eigene Publikationen zu diesen Erkenntnissen beitragen, können diese Ergebnisse angeregt durch die Herausforderungen ihrer Beraterpraxis vorlegen und als evidenzbasierte Politikberater kommunizieren. Der wissenschaftliche globale Wettbewerb, in Forschung und Politikberatung, sichert die Verwendung der besten Methoden und Erkenntnisse und somit diese Überlegenheit.

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