Der deutsche Arbeitsmarkt braucht flexible Jobs

Deutschland wird derzeit zu Recht international wegen seiner erfolgreichen Arbeitsmarktentwicklung gelobt. Es arbeiten mehr Menschen als je zuvor. Auch die Problemgruppen haben ihren fairen Anteil an dieser Entwicklung. Viele flexible, aber auch viele gute Jobs sind entstanden. Dabei hatten wir uns im Zuge der Hartz-Arbeitsmarktreformen einer wesentlichen Lockerung des Kündigungsschutzes verweigert, anders als in vielen Partnerländern der Europäischen Union (EU). Deutschland ist einen eigenen Weg gegangen, die notwendige Flexibilisierung von Jobs zu erreichen.

Dänemark und Holland hatten angesichts der globalen Flexibilisierungsnotwendigkeiten in den 1990er Jahren als erstes eine Politik begründet, die einen geringen Kündigungsschutz mit kurzfristig großzügiger Arbeitslosigkeitsunterstützung und einer aktiven Eingliederungsförderung verbanden. Unter dem Begriff “Flexicurity” fand das Konzept 2000 Eingang als Modell in die Europäische Sozialcharta. Es ist als Ziel festgeschrieben, um zahlreichere und bessere Arbeitsplätze zu schaffen und den sozialen Zusammenhalt durch gute Beschäftigung zu unterstützen.

Deutschland hat dieses Modell erfolgreich eigenständig interpretiert, hat viele Formen der unternehmensinternen Flexibilität gefunden. Aus den derzeitigen Koalitionsverhandlungen droht diesem Erfolgskurs nun allerdings Ärger. Die Verhandlungspartner schicken sich an, wichtige Flexibilisierungselemente des deutschen Arbeitsmarktes einzuschränken. So wird u.a. diskutiert, die sachgrundlos befristete Beschäftigung abzuschaffen. Zeitarbeiter sollen gesetzlich verpflichtend Tarifvertragsarbeitnehmern gleich gestellt werden.

Letztes Jahr waren 2,7 Millionen befristet beschäftigt, also knapp 10 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Etwa 50 Prozent davon sind sachgrundlos befristet. Knapp 40 Prozent erhalten derzeit danach einen unbefristeten Vertrag. Ohne Angaben von Gründen können Mitarbeiter bis zu 2 Jahren befristet werden. Bei Abschaffung bleibt als Alternative die unbegrenzt mögliche sachbegründete Beschäftigung, etwa in einem Projektzusammenhang. Sie ist aber mit erheblichen Rechtsunsicherheiten für Unternehmen und Arbeitnehmer behaftet. Die sachgrundlose, sozialere Variante der Befristung ist aber ein pragmatisches Instrument, das kostengünstig und rasch Verträge schliessen läßt. Sachbegründung schafft unnötige Bürokratie und verhindert im Zweifel die Einstellung.

Nur 3 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten sind in Zeitarbeit tätig. Die Branche ist in Deutschland international gesehen eher zu klein aufgestellt. Denn Zeitarbeit bietet einerseits dauerhafte und vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten und ermöglicht den Unternehmen die Realisierung unsicherer Produktion, also die Erfüllung unklarer und schwankender Nachfrage von Kunden. Eine wesentliche Brückenfunktion zu einer regulären Beschäftigung außerhalb der Zeitarbeitsbranche läßt sich allerdings nicht nachweisen. Zeitarbeiter erhalten vergleichbar ca. 15 Prozent niedrigere Löhne, die nicht durch individuelle Faktoren erklärt werden können. Werden die Löhne gleichgestellt, werden viele Zeitarbeiter wieder das, was sie zuvor waren: arbeitslos. Auch behindert dies die weitere Entwicklung der Branche, in derem Zuge die Löhne steigen könnten.

Sollten diese Pläne umgesetzt werden, dann sind hunderttausende Arbeitspätze bereits kurzfristig in Gefahr. Durch die fehlende Produktion werden weitere Arbeitsplätze entfallen. Und der deutsche Arbeitsmarkt befindet sich auf dem Wege zurück in die Vergangenheit, nicht der 1960er Jahre der Vollbeschäftigung, sondern an das Ende der 1990er, wo uns der “Economist” angesichts der Dauerarbeitslosigkeit zum “kranken Mann Europas” deklarierte. Sollte das Realität werden, dann wird die Diskussion um eine allgemeine Lockerung des Kündigungsschutzes wieder einsetzen.

Dieser Artikel ist auch unter dem Titel “Schwarz-Rot gefährdet hunderttausende Jobs “ am 16. 11. 2013, S. 8, im Berliner “Tagespiegel” erschienen. (IZA Newsroom).
 

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